ST. MAGNUS
Beim
Namensgeber und Schutzpatron der Kirche, dem Heiligen Magnus, handelt
es sich um den frühchristlichen Bischof von Trani in Apulien,
der
während der Christenverfolgung unter dem Kaiser Decius (etwa 250
nach Christus) den Märtyrertod erlitt. Er war zugleich der
Schutzheilige des Harlingerlandes, der im Mittelalter verehrt wurde.
BAUGESCHICHTE
Wo
sich heute die Kirche befindet – auf einer niedrigen Warf
mitten
in der Altstadt – hat schon vor vielen Jahrhunderten ein
Gotteshaus existiert. Die St.-Magnus-Kirche war eine
Tochtergründung der Sendkirche in Stedesdorf. Um
1100 muss an diesem
zentralen Ort die erste Kirche aus
Holz gebaut worden sein. Sie wurde im 13.
Jahrhundert durch eine dreischiffige Tuffsteinkirche ersetzt, die in
der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts einen spätgotischen Hochchor erhielt. Die
ältere
St.-Magnus-Kirche, die
1847 wegen
Baufälligkeit abgebrochen wurde, bestand aus Tuffstein und
allerhand weiteren Materialien.
Nachdem 1844/45
schon
ein neuer Turm an die ältere Kirche angebaut worden war,
stellte
sich heraus, dass das Gebäude inzwischen so baufällig
geworden war, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohnte. Daher
entschied sich der Kirchenvorstand für einen Neubau. Der
Konsistorialbaurat Friedrich August Ludwig Hellner aus Hannover wurde
damit beauftragt. Für das Äußere der Kirche
wählte
er den Spätklassizismus, für das Innere die Neugotik.
Die
St.-Magnus-Kirche wurde 1848
bis 1854
für 38 000
Reichsthaler Gold als dreischiffige Hallenkirche in Kreuzform mit Chor
und Apsis im Osten gebaut.
1.
WALPURGIS-DENKMAL
In der
Südost-Ecke der Kirche hat der Kirchenvorstand im Jahre 1997
einen hölzernen Sarkophag bauen lassen, dessen Deckel von den
sechs Karyatiden vom „Puppenhaus“ in der
Jücherstraße getragen wird. Die Sandstein-Figuren
stammten
ursprünglich aus dem in der Kirche befindlichen Grab der 1586
verstorbenen Walpurgis von Rietberg und ihres zehnmonatigen Sohnes
Johann Edzard. Dieses noch im Vorgängerbau vorhandene Grabmal
ist
1790 abgebrochen
worden. Bei den restaurierten Figuren
handelt es sich um rund einen Meter große Darstellungen der
drei
christlichen Tugenden Glaube (fides), Liebe (caritas) und Hoffnung
(spes) sowie der klassischen griechischen Tugenden Tapferkeit
(fortitudo), Gerechtigkeit (justitia) und Weisheit oder Besonnenheit
(sapientia).
2. GEBETS-ECKE
Im Jahr 2000
hat der Kirchenvorstand im südöstlichen Seitenschiff
der
St.-Magnus-Kirche einem Bereich der Besinnung eingerichtet. Hier ist
ein Vater-Unser-Bild des Esenser Künstlers Horst Buldt sowie
ein
Kerzenbaum zu finden. Besucher können hier eine Kerze
entzünden und mit einem Gebetsanliegen verbinden.
3. KANZEL
Die Kanzel ist ein
Werk des
Esenser Bildschnitzers Jakob Kröpelin. Die Arbeit aus dem
Jahre
1674 war eine
Stiftung des Drosten Timon Johannes von
Lintelo und seiner Gattin Anna Maria Dorothea. Die Kanzel ist reichlich
mit Engelköpfen verziert, die Kröpelin sehr liebte.
Der
Kanzelkorb ruht auf einer gusseisernen Säule, die eine
hölzerne Gestalt des Moses mit den Gesetzestafeln ersetzt hat.
Ein
ganz besonderes Meisterwerk stellt der Schalldeckel dar. Auf seinem
unteren Rand stehen Propheten- und Apostelfiguren. Den
krönenden
Abschluss bildet der auferstandene Christus, der auf der Erdkugel steht
und dabei die Siegesfahne schwingt. Wahrscheinlich hat der Kanzelkorb,
wie auch der Schalldeckel, nicht immer den braunen Farbanstrich gehabt.
4. ALTAR
Der
Altar besteht aus einem mächtigen Steinsockel, auf dem eine
schwere Sandsteinplatte liegt – die Mensa. Die darauf ruhende
Predella ist ein Werk des im 17.
Jahrhundert in Esens lebenden Bildschnitzers Jakob Kröpelin
und
zeigt die Einsetzung des heiligen Abendmahls bei der Feier des
Passahmahls. Über der Predella erhebt sich, von Weinlaub
umrankt
das Kruzifix und als krönender Abschluss darüber die
Taube
als Symbol des Heiligen Geistes. Der Altaraufsatz trägt die
Schrift: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Joh. XV.
Vers. V. - Anno
1714.“
Unter dem
Kreuz stehen trauernd Maria und Johannes.
Links und
rechts vom Altar befinden sich die
Kniebänke, an denen die Abendmahlsteilnehmer früher
Brot und
Wein empfingen. Auf den Wangen sind hier dargestellt: Moses mit den
Gesetzestafeln (links) und Martin Luther mit dem Evangelium in der Hand
und dem Schwan zu seinen Füßen.
BILDER
IM CHORRAUM
Gleich
neben der Taufe hängt ein Bild des
Gekreuzigten, ihm zu Füßen Maria Magdalena. Das
zweite
Gemälde zeigt die Auferweckung des Lazarus, das dritte die
Darstellung des Abendmahls in einem spätgotischen Rahmen. Auf
dem
vierten Bild sind Sündenfall und Kreuzigung zu sehen Schriften
unter den Werken geben Aufschluss über die Stifter.
5. TAUFE
Die
spätgotische Bronzetaufe goss der Erzgießer Hinrich
Klinghe
im Jahre 1474.
In den später
nachgefertigten Stützen stellte der Künstler
weibliche
Sphinxe dar. Unter den gotischen Verzierungen am bronzenen Taufbecken
sind der Gekreuzigte zwischen Maria und Johannes dem Täufer
als
Relief zu sehen. Dann folgen die Heiligen Paulus, Andreas, Jacobus der
Ältere, Bartholomäus, Philippus, die Taufe Christi im
Jordan,
ein heiliger Bischof, Judas, Thaddäus, Thomas,
Matthäus, der
Evangelist Johannes und Petrus.
6.
GEDENKLEUCHTER
Im
Sonntagsgottesdienst
werden zum Gedenken und zum Trost Kerzen für die in der Woche
verstorbenen Gemeindeglieder entzündet. Am Ewigkeitssonntag,
dem
letzten Sonntag im Kirchenjahr, brennt jedes der zwölf Lichter
für die Verstorbenen eines Monats.
7.
ORGEL
Die
Orgel ist das größte erhaltene Instrument des 19.
Jahrhunderts in Ostfriesland. Es stammt aus der Werkstatt des Esenser
Orgelbauers Arnold Rohlfs, der es in den Jahren 1847
bis 1860
für 24.000
Reichsthaler erbaute. Der Entwurf für den Orgelprospekt stammt
von
Kirchenbaumeister Ludwig Hellner, Hannover, der auch die Pläne
für den Kirchenbau erstellt hatte. In der rein mechanischen
Schleifladenorgel vereinigt sich solide norddeutsche Orgelbautradition
mit Strömungen der Romantik. Das Instrument zeichnet sich
durch
eine Fülle charakteristischer Einzelstimmen sowie ein mildes,
jedoch raumfüllendes Plenum aus. Mit diesem
größten
Instrument aus seiner Werkstatt – 30
Register verteilt auf zwei Manuale und Pedal – hat sich der
Esenser Meister in seiner Heimatstadt ein Denkmal gesetzt. Nach einem
unsachgemäßen Teilrestaurierungsversuch in den 60er
Jahren wurde 1980
bis
1983 eine umfassende
Restaurierung im
denkmalspflegerischen Sinne durchgeführt.
8.
KIRCHENRAUM
Im
Inneren der St.-Magnus-Kirche, einer lichten und hohen dreischiffigen
Halle, tragen schmale Pfeiler mit halbrunden Vorlagen die umlaufenden
Emporen und auch die weit gespannten fein gegliederten
Gewölbe.
In der
Kirche befinden sich sieben restaurierte
Kronleuchter mit vielen Inschriften und Gebeten. Drei von ihnen
stifteten dankbare Gemeindemitglieder zwischen 1634
und 1700
bereits für den
Vorgängerbau.
Bilder
der Apostel und des Erlösers
schmücken die Seitenwände des Kirchenschiffs unten,
während sich auf den Emporen die Darstellungen der Propheten
befinden. Sie waren ehemals am sogenannten Apostelboden angebracht und
wurden wahrscheinlich vom
1674 in
Esens verstorbenen „Kunstschilderer“ Johann Heymann
gemalt.
Unter
der Orgelempore hängen vier Werke
unbekannter Künstler. Es handelt sich um die „Taufe
des
Kämmerers aus dem Mohrenland“ (Apostelgeschichte 8,
Vers
26)
und daneben um einen Ausschnitt aus
der Geschichte des Propheten Jona. Auf dem dritten Gemälde ist
die
Geschichte der Himmelfahrt Christi dargestellt, und beim vierten Werk
handelt es sich um eine Reliefdarstellung der Grablegung Christi.
9.
SARKOPHAG
Eines der
schönsten und
ältesten Stücke in der St.-Magnus-Kirche ist der
spätgotische Sarkophag des Siebet Attena. Der Sandstein-Sarg
ist
etwa zwei Meter lang und 1,17
Meter
breit und an den Seitenwänden mit gotischen Verzierungen
versehen.
Auf der Deckplatte liegt die
Figur eines geharnischten Mannes mit entblößtem
Haupt, das
auf einem Kissen ruht. An seiner linken Seite liegt das Schwert. Zu
seinen Füßen wurden zwei sitzende, wappentragende
Löwen
gearbeitet. Auf dem einen Wappen befindet sich der Bär der
Attena
und auf dem anderen der Jungfrauenadler (Harpyie) der Cirksena. An den
vier Ecken des Sarkophags sind zusätzliche wappentragende
Löwen aufgestellt.
10. EPITAPHE NEBEN DER ORGEL
Zwei
beeindruckende
Epitaphien befinden sich auf der Orgelempore. Das eine ist Johann II.,
Graf von Rietberg, der als Geächteter
„irrsinnig“ in
Köln starb, gewidmet. Seine Frau Agnes hat die 2,70
Meter hohe Totentafel aus Sandstein 1562
errichten lassen, die heute südlich (links) der Orgel
aufgehängt ist. Der Künstler ist unbekannt. Wesentlich
reicher ist das Epitaph
gestaltet, das Graf Enno III. von Ostfriesland 1586
seiner jung verstorbenen Gemahlin Walpurgis von Rietberg setzen
ließ. Es ist etwa 2,80
Meter hoch,
aus Sandstein gearbeitet und rechts neben der Orgel zu sehen.
Epitaphe
erinnern an eine alte Form der
Totenehrung, denn einstmals ließen sich Personen von Stand
und
Rang im Inneren der Kirche bestatten. Als dieses aus Platzmangel nicht
mehr möglich war, erfolgte die Bestattung auf dem Friedhof
rund um
die Kirche. Um den Namen der Verstorbenen im Gotteshaus zu behalten,
ließen die Angehörigen Gedenktafeln, die Epitaphe,
anfertigen.